Der virtuelle Lehrbetrieb verändert den zwischenmenschlichen Umgang. Mancher fühlt sich seinem Dozenten emotional so nah wie nie zuvor, erhält er doch unverhofft intensive Einblicke in Wohnräume, Familienleben, Haustiere und Gedankenwelten. Manch anderer arbeitet sich allein und stetig durch Screencasts und Literatur(versatz)stücke. Unabhängig davon, ob es das eine oder das andere ist: Viele Studierende sehnen sich nach dem unverfänglichen Plausch mit den Kommilitonen während und nach der Lehrveranstaltung; nach den hitzigen Diskussionen über die „korrekte“ Auslegung und das Verständnis des behandelten Vorlesungsstoffs. Denn eines sollte klar sein: Der universitäre Lernstoff wird durch die Virtualisierung vieles, aber nicht einfacher. Die Lösung für dieses Dilemma naht in Form eines Relikts aus „analogen“ Zeiten: Lerngruppen – „aufgepimpt“ – könnten ein passendes Substitut für den nunmehr fehlenden Austausch sein.
Lerngruppen: Miteinander voneinander lernen
Lerngruppen haben einen sehr spezifischen Charakter. In einer Lerngruppe schließen sich Lernwillige zusammen, um miteinander und voneinander zu lernen. Sie tun dies, indem sie sich austauschen, einander zuhören und motivieren, diskutieren, Passagen auslegen und (er-)klären. Der originäre Zweck einer Lerngruppe unterscheidet sich dabei fundamental von dem eines „klassischen“ sonstigen Zusammenschlusses im Rahmen von Gruppenarbeiten. Gruppenarbeitsgruppen bzw. Arbeitsgruppengruppen (ein „Hoch“ auf die deutsche Sprache!) werden typischerweise gebildet, um eine gemeinsame, für alle Mitglieder gleichbewertete Prüfungsleistung abzulegen (etwa die Erstellung einer Hausarbeit). Lerngruppen hingegen finden sich außerhalb und losgelöst von dieser obligatorischen Zusammenarbeit; sie zielen zudem auf den Lernerfolg des Einzelnen in der individuellen Prüfungssituation.
Die subjektiven Gründe, einer Lerngruppe beizutreten, sind dabei vielfältiger Natur: Für den einen ist es die Suche nach sozialer Unterstützung und Motivation beim Lernen, ein Zweiter spekuliert auf die arbeitsteilige Erarbeitung bestimmter Aufgaben für ein effizienteres Vorankommen, ein Dritter will durch das gemeinsame Lernen die Qualität seiner Lernergebnisse steigern. Was alle eint, ist das Gefühl, gemeinsam mehr erreichen zu können als isoliert und allein. Doch längst nicht jeder fühlt sich wohl in einer Lerngruppe; der eine oder andere hatte bislang „Pech“ mit der Binnendynamik oder lernt schlicht lieber ohne „Störgeräusche“.
Lerngruppen: Drei Fragen zum Erfolg
Es gibt (leider) kein Patentrezept für die Ausgestaltung von Lerngruppen. Sinnvoll ist, was Erfolg bringt. Everything works! Die Beantwortung dieser drei Fragen bringt dich deinem Erfolg in der Lerngruppen aber ein Stückchen näher:
- Welches Ziel möchtest du mithilfe des Lernens in einer Lerngruppe erreichen?
- Wer muss dabei sein, damit alle ihre Ziele gleichermaßen erreichen können?
- Wie soll das in der Lerngruppe ablaufen?
Warum? Nun ja…
Ziele: Wohin soll die Reise gehen?
Lerngruppen profitieren von klaren Zielsetzungen. Jedes Gruppenmitglied legt zunächst eigennützige Absichten fest (Konstitution einer Lerngruppe siehe oben), z. B. das bestmögliche Bestehen der Klausur. Lerngruppen leben davon, dass sich die Studierenden bei der individuellen Zielerreichung gegenseitig unterstützen, d. h. ein kollektives Miteinander der Einzelinteressen schaffen. Lerngruppen sind jedoch keine Wohlfahrtsvereine oder kostenlose Nachhilfeinstitute. Nachhaltige Unterstützung wird sich folglich nur dann ergeben, wenn die Mitglieder gemeinsame Ideale miteinander teilen. Hierfür dürfen die individuellen Ziele der Akteure keine unüberbrückbaren Unterschiede aufweisen. Zwischen dem Ziel „Klausur bestehen“ und dem Ziel „Klausur bestmöglich bestehen“, klafft eine empfindliche Lücke; zumindest für den Studierenden mit Orientierung „nach ganz oben“. „Bestmöglich“ ist zudem ein dehnbarer Begriff: was für den Einen die „1 vor dem Komma“ bedeutet, ist für den Anderen die „Vier gewinnt“. Je klarer die Vorstellung jedes Einzelnen über seine Ziele in der Gesamtgruppe konturiert wird, desto reibungsloser wird die Zusammenarbeit funktionieren. Die Spezifität des Ziels entscheidet über den gemeinsamen Erfolg.
Mitglieder: Wer kann gut mit wem?
Eine Lerngruppe vereint viele Köpfe und viele Ideen. Bei vier bis fünf Personen hat eine Lerngruppe ihr Limit erreicht; mehr Mitglieder hemmen den gleichberechtigten Austausch. Die Mitglieder selbst sollten zueinander kompatibel sein. Ob es passt oder nicht, bestimmt sich sowohl anhand der jeweiligen Individuen als auch in ihrem Zusammenspiel. Die Individuen sind Studierende mit eigenen (Vor-)Erfahrungen, Einstellungen, Werten und Kompetenzen. In einer Lerngruppe werden somit unterschiedliche „Snowflakes“ aufeinander losgelassen. Ein Experiment im Reallabor. Doch unter welchen Prämissen? Hinsichtlich der reibungsfreien Abstimmung, dem ineinander gefassten Vertrauen sowie der Minimierung von Dysbalancen kommt es Lerngruppen zugute, wenn die Mitglieder miteinander harmonieren und kongruente Einstellungen teilen. Das temporäre Abschweifen der Gespräche in den privaten Bereich sollte in einer harmonischen Gruppe eingepreist werden: die wohltuenden Effekte der Zerstreuung bündeln Kräfte für die erneute Fokussierung! Auf der fachlichen Ebene, d. h. hinsichtlich der individuellen Kompetenzen und Fertigkeiten der Studierenden, profitieren Lerngruppen von einer etwas heterogeneren Zusammensetzung. Auf diese Weise wird das gegenseitige Lehren und Lernen in Gruppen angeregt, unterschiedliche Ressourcen, Stärken und Schwächen können ausgespielt und sinnstiftend genutzt werden. Das System kippt jedoch, wenn die Abgründe ängstigen: Gruppen mit zu heterogenen Leistungsniveaus laufen Gefahr, zu einseitigen Nachhilfestunden zu degenerieren. In diesen Fällen mangelt es an Reziprozität, also der Wechselbezüglichkeit der dargebotenen Hilfestellung.
Organisation: Wie in virtuellen Zeiten?
„Organisation ist das halbe Leben.“ Halt nein, das war „Ordnung“. Es geht jedenfalls um Regeln, die es zu befolgen gilt. Allerdings: „Jeder Narr kann Regeln aufstellen und jeder Tor wird sich danach richten“, sagt zumindest Henry David Thoreau. Goethe hält dagegen: „Das Gesetz nur kann uns Freiheit geben“ (Natur und Kunst, um 1800). Egal. Lerngruppen müssen sich der Welt pragmatischer nähern als große Denker es behaupten.
Lerngruppen profitieren von einer klaren (Binnen-)Organisation. Wer gemeinsam lernen möchte, muss sich aufeinander abstimmen. Regelmäßigkeit, Verbindlichkeit und Klarheit erleichtern die Zusammenarbeit. Ein in der „analogen“ Welt gewichtiger Faktor des Gruppenlernens ist das Aufeinandertreffen in persönlichen Begegnungen. Diese Treffen lassen sich in Zeiten von Kontaktbeschränkungen jedoch nicht so leicht realisieren. Schade. Aber es hat auch ein Gutes: Damit sind die langen Anfahrten und die aufwendige Suche nach geeigneten Lernplätzen passé. Es gilt stattdessen die Vorzüge der virtuellen Lernumgebung zu nutzen. Videokonferenzingtools und andere Austauschplattformen laden zur Besprechung oder dem Tausch von Daten ein. Virtuelle Lerngruppen schaffen auf diese Weise neue Lernerlebnisse mit veränderten Perspektiven und zusätzlichen Gewinnen. Wer hätte noch vor ein paar Wochen daran gedacht, während des Verstehens von Wirtschaftskreisläufen oder Marktgleichgewichten spielerisch seine Digitalkompetenzen zu verbessern? Mit ein bisschen Kreativität und Anpassungsgeschick klappt das gemeinsame Lernen gerade in virtuellen Zeiten.
Der virtuelle Lehrbetrieb verändert den zwischenmenschlichen Umgang. Mancher fühlt sich seinem Dozenten emotional so nah wie nie zuvor, erhält er doch unverhofft intensive Einblicke in Wohnräume, Familienleben, Haustiere und Gedankenwelten. Manch anderer arbeitet sich allein und stetig durch Screencasts und Literatur(versatz)stücke. Unabhängig davon, ob es das eine oder das andere ist: Viele Studierende sehnen sich nach dem unverfänglichen Plausch mit den Kommilitonen während und nach der Lehrveranstaltung; nach den hitzigen Diskussionen über die „korrekte“ Auslegung und das Verständnis des behandelten Vorlesungsstoffs. Denn eines sollte klar sein: Der universitäre Lernstoff wird durch die Virtualisierung vieles, aber nicht einfacher. Die Lösung für dieses Dilemma naht in Form eines Relikts aus „analogen“ Zeiten: Lerngruppen – „aufgepimpt“ – könnten ein passendes Substitut für den nunmehr fehlenden Austausch sein.
Lerngruppen: Miteinander voneinander lernen
Lerngruppen haben einen sehr spezifischen Charakter. In einer Lerngruppe schließen sich Lernwillige zusammen, um miteinander und voneinander zu lernen. Sie tun dies, indem sie sich austauschen, einander zuhören und motivieren, diskutieren, Passagen auslegen und (er-)klären. Der originäre Zweck einer Lerngruppe unterscheidet sich dabei fundamental von dem eines „klassischen“ sonstigen Zusammenschlusses im Rahmen von Gruppenarbeiten. Gruppenarbeitsgruppen bzw. Arbeitsgruppengruppen (ein „Hoch“ auf die deutsche Sprache!) werden typischerweise gebildet, um eine gemeinsame, für alle Mitglieder gleichbewertete Prüfungsleistung abzulegen (etwa die Erstellung einer Hausarbeit). Lerngruppen hingegen finden sich außerhalb und losgelöst von dieser obligatorischen Zusammenarbeit; sie zielen zudem auf den Lernerfolg des Einzelnen in der individuellen Prüfungssituation.
Die subjektiven Gründe, einer Lerngruppe beizutreten, sind dabei vielfältiger Natur: Für den einen ist es die Suche nach sozialer Unterstützung und Motivation beim Lernen, ein Zweiter spekuliert auf die arbeitsteilige Erarbeitung bestimmter Aufgaben für ein effizienteres Vorankommen, ein Dritter will durch das gemeinsame Lernen die Qualität seiner Lernergebnisse steigern. Was alle eint, ist das Gefühl, gemeinsam mehr erreichen zu können als isoliert und allein. Doch längst nicht jeder fühlt sich wohl in einer Lerngruppe; der eine oder andere hatte bislang „Pech“ mit der Binnendynamik oder lernt schlicht lieber ohne „Störgeräusche“.
Lerngruppen: Drei Fragen zum Erfolg
Es gibt (leider) kein Patentrezept für die Ausgestaltung von Lerngruppen. Sinnvoll ist, was Erfolg bringt. Everything works! Die Beantwortung dieser drei Fragen bringt dich deinem Erfolg in der Lerngruppen aber ein Stückchen näher:
Warum? Nun ja…
Ziele: Wohin soll die Reise gehen?
Lerngruppen profitieren von klaren Zielsetzungen. Jedes Gruppenmitglied legt zunächst eigennützige Absichten fest (Konstitution einer Lerngruppe siehe oben), z. B. das bestmögliche Bestehen der Klausur. Lerngruppen leben davon, dass sich die Studierenden bei der individuellen Zielerreichung gegenseitig unterstützen, d. h. ein kollektives Miteinander der Einzelinteressen schaffen. Lerngruppen sind jedoch keine Wohlfahrtsvereine oder kostenlose Nachhilfeinstitute. Nachhaltige Unterstützung wird sich folglich nur dann ergeben, wenn die Mitglieder gemeinsame Ideale miteinander teilen. Hierfür dürfen die individuellen Ziele der Akteure keine unüberbrückbaren Unterschiede aufweisen. Zwischen dem Ziel „Klausur bestehen“ und dem Ziel „Klausur bestmöglich bestehen“, klafft eine empfindliche Lücke; zumindest für den Studierenden mit Orientierung „nach ganz oben“. „Bestmöglich“ ist zudem ein dehnbarer Begriff: was für den Einen die „1 vor dem Komma“ bedeutet, ist für den Anderen die „Vier gewinnt“. Je klarer die Vorstellung jedes Einzelnen über seine Ziele in der Gesamtgruppe konturiert wird, desto reibungsloser wird die Zusammenarbeit funktionieren. Die Spezifität des Ziels entscheidet über den gemeinsamen Erfolg.
Mitglieder: Wer kann gut mit wem?
Eine Lerngruppe vereint viele Köpfe und viele Ideen. Bei vier bis fünf Personen hat eine Lerngruppe ihr Limit erreicht; mehr Mitglieder hemmen den gleichberechtigten Austausch. Die Mitglieder selbst sollten zueinander kompatibel sein. Ob es passt oder nicht, bestimmt sich sowohl anhand der jeweiligen Individuen als auch in ihrem Zusammenspiel. Die Individuen sind Studierende mit eigenen (Vor-)Erfahrungen, Einstellungen, Werten und Kompetenzen. In einer Lerngruppe werden somit unterschiedliche „Snowflakes“ aufeinander losgelassen. Ein Experiment im Reallabor. Doch unter welchen Prämissen? Hinsichtlich der reibungsfreien Abstimmung, dem ineinander gefassten Vertrauen sowie der Minimierung von Dysbalancen kommt es Lerngruppen zugute, wenn die Mitglieder miteinander harmonieren und kongruente Einstellungen teilen. Das temporäre Abschweifen der Gespräche in den privaten Bereich sollte in einer harmonischen Gruppe eingepreist werden: die wohltuenden Effekte der Zerstreuung bündeln Kräfte für die erneute Fokussierung! Auf der fachlichen Ebene, d. h. hinsichtlich der individuellen Kompetenzen und Fertigkeiten der Studierenden, profitieren Lerngruppen von einer etwas heterogeneren Zusammensetzung. Auf diese Weise wird das gegenseitige Lehren und Lernen in Gruppen angeregt, unterschiedliche Ressourcen, Stärken und Schwächen können ausgespielt und sinnstiftend genutzt werden. Das System kippt jedoch, wenn die Abgründe ängstigen: Gruppen mit zu heterogenen Leistungsniveaus laufen Gefahr, zu einseitigen Nachhilfestunden zu degenerieren. In diesen Fällen mangelt es an Reziprozität, also der Wechselbezüglichkeit der dargebotenen Hilfestellung.
Organisation: Wie in virtuellen Zeiten?
„Organisation ist das halbe Leben.“ Halt nein, das war „Ordnung“. Es geht jedenfalls um Regeln, die es zu befolgen gilt. Allerdings: „Jeder Narr kann Regeln aufstellen und jeder Tor wird sich danach richten“, sagt zumindest Henry David Thoreau. Goethe hält dagegen: „Das Gesetz nur kann uns Freiheit geben“ (Natur und Kunst, um 1800). Egal. Lerngruppen müssen sich der Welt pragmatischer nähern als große Denker es behaupten.
Lerngruppen profitieren von einer klaren (Binnen-)Organisation. Wer gemeinsam lernen möchte, muss sich aufeinander abstimmen. Regelmäßigkeit, Verbindlichkeit und Klarheit erleichtern die Zusammenarbeit. Ein in der „analogen“ Welt gewichtiger Faktor des Gruppenlernens ist das Aufeinandertreffen in persönlichen Begegnungen. Diese Treffen lassen sich in Zeiten von Kontaktbeschränkungen jedoch nicht so leicht realisieren. Schade. Aber es hat auch ein Gutes: Damit sind die langen Anfahrten und die aufwendige Suche nach geeigneten Lernplätzen passé. Es gilt stattdessen die Vorzüge der virtuellen Lernumgebung zu nutzen. Videokonferenzingtools und andere Austauschplattformen laden zur Besprechung oder dem Tausch von Daten ein. Virtuelle Lerngruppen schaffen auf diese Weise neue Lernerlebnisse mit veränderten Perspektiven und zusätzlichen Gewinnen. Wer hätte noch vor ein paar Wochen daran gedacht, während des Verstehens von Wirtschaftskreisläufen oder Marktgleichgewichten spielerisch seine Digitalkompetenzen zu verbessern? Mit ein bisschen Kreativität und Anpassungsgeschick klappt das gemeinsame Lernen gerade in virtuellen Zeiten.